Volume 07
Ein Gespräch zwischen Florian Lemke und Armando Orellana Galán, Sales Director DACH, Benelux & Intern bei Baumer hhs, über ökologische und ökonomische Effekte in der Faltschachtelproduktion, Side Seam Gluing Solution und die Praxis bei Mugler Masterpack.

Florian Lemke: Herr Orellana Galán, seit Jahrzehnten stagniert die Entwicklung in der Faltschachtelproduktion bei der einfachen Seitennahtverklebung. Heute noch wird Leim wie früher typischerweise mit Scheibenleimwerken aufgetragen. Ist das noch zeitgemäß?
Armando Orellana Galán: Genau diese Frage haben wir uns auch gestellt, denn Scheibenleimwerke bringen schon genauso lange Nachteile mit sich, wie es sie gibt. Sie bieten einen unpräzisen Klebstoffauftrag und benötigen für aufwendige Reinigungen, die durch Stillstände wertvolle Produktionszeit kosten, große Mengen an Wasser und Abwasser. Das wurde uns von vielen unserer Kunden bestätigt.
Florian Lemke: Viele Anwender denken heute noch, der Seitennahtleimauftrag mit Leimrad wäre alternativlos, ist dem denn noch so?
Armando Orellana Galán: Nein. Wir haben mit Side Seam Gluing Solution ein System entwickelt, das den herkömmlichen Leimauftrag über Scheiben durch ein kontaktloses geschlossenes Verfahren ersetzt. Das bedeutet: kein Aufwand mehr für das Waschen von Leimrädern, keine Abwasserentsorgung, keine Stillstände durch Reinigungsprozesse.
Stattdessen ermöglicht die Technologie einen millimetergenauen Auftrag, reduziert den Klebstoffverbrauch erheblich und sorgt so für mehr Produktivität, höhere Qualität, geringere Kosten und eine ressourcenschonendere Produktion.

Florian Lemke: Was genau macht Ihre Lösung im Vergleich zu den bestehenden Systemen so besonders?
Armando Orellana Galán: Side Seam Gluing Solution ist ein modernes Unterleimwerk, das, wie schon erwähnt, den Klebstoff kontaktlos aufträgt – also ohne physische Berührung zwischen Applikator und Schachtel. Damit unterscheiden wir uns grundlegend von den klassischen Scheibenleimwerken und anderen kontaktbehafteten Auftrgssystemen.
Bei unserer Lösung wird der Klebstoff über ein Hochleistungsventil millimetergenau auf die Klebelasche gesetzt, und zwar immer in der exakt benötigten Menge. Leimscheiben und Leimwannen, die verschmutzen könnten, gibt es nicht mehr, und damit entfällt auch der gesamte Reinigungsaufwand. Hinzu kommt die einfache Bedienung: Statt mühsam Einstellungen vorzunehmen oder langwierig Erfahrung sammeln zu müssen, reicht es, eine Musterfaltschachtel durch die Maschine laufen zu lassen. Das System erkennt automatisch die Abmessungen und stellt sich selbst ein.
Kurz gesagt: Die Side Seam Gluing Solution steht für eine Technik, die Prozesse vereinfacht, Ressourcen schont und gleichzeitig für mehr Sicherheit in der Produktion sorgt.
Ein weiterer Vorteil ist, dass für die Beleimung nur noch ein einziger Leim benötigt wird, nämlich der für die Ventilanwendung. Dadurch entfallen unterschiedliche Klebstoffe für verschiedene Auftragsarten, was die Prozesse zusätzlich vereinfacht. Gleichzeitig profitieren Hersteller von höheren Abnahmemengen eines definierten Leims – mit dem Nebeneffekt attraktiverer Einkaufskonditionen.
Florian Lemke: Viele Technologien werben mit Nachhaltigkeit, doch nicht immer steckt Substanz dahinter. Wie schaffen Sie es, ökologische Vorteile messbar zu machen?
Armando Orellana Galán: Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Wir wollen nicht behaupten, dass unsere Technologie die Welt rettet. Was wir tun, ist messbare Effizienzgewinne zu ermöglichen. Nehmen wir ein Beispiel: In einer typischen Zwei-Schicht-Produktion summieren sich die Reinigungszeiten klassischer Scheibenleimwerke auf etwa 200 Stunden pro Jahr. Das sind 200 Stunden, in denen keine Faltschachteln produziert werden.
Mit Side Seam Gluing Solution entfällt dieser Reinigungsaufwand nahezu vollständig. Das bedeutet: Die Maschine steht diese 200 Stunden nicht still. In dieser Zeit können je nach Format und Geschwindigkeit bis zu 20 Millionen zusätzliche Faltschachteln produziert werden – einfach dadurch, dass wir Stillstandszeiten vermeiden.
Und das ist nur ein Aspekt. Hinzu kommt, dass bei jeder Reinigung von Scheibenleimwerken rund 30 Liter handwarmes Wasser benötigt werden. In einem Mehrschichtbetrieb sprechen wir über zehntausende Liter belastetes Abwasser, die entsorgt werden müssen – pro Maschine. Mit unserer Lösung entfällt das komplett. Das ist konkret, nachvollziehbar und messbar.
Florian Lemke: Das klingt so, als würden ökologische Vorteile direkt zu ökonomischen Effekten führen. Können Sie das noch etwas konkreter machen?
Armando Orellana Galán: Sehr gern. Wenn wir weniger Klebstoff verwenden, weniger Abwasser produzieren und weniger Ausschuss haben, dann sind das ökologische Vorteile. Aber gleichzeitig sind es auch ökonomische. Jeder Liter Klebstoff, den wir einsparen, reduziert nicht nur die Umweltbelastung, sondern senkt direkt die Materialkosten. Das im Verbund mit 200 Stunden mehr verfügbarer Produktionszeit schafft massive wirtschaftliche Vorteile gegenüber den klassischen Scheibenleimwerken.
Das Gleiche gilt für Ausschuss: Weniger fehlerhafte Schachteln bedeuten weniger Abfall – und weniger Verluste. Diese Symbiose ist das Spannende. Wir zeigen, dass Nachhaltigkeit in der Produktion nicht Verzicht bedeutet, sondern Effizienzgewinn.
Florian Lemke: Ein wesentlicher Vorteil, den Sie erwähnten, ist die Einsparung von Klebstoff – Baumer hhs spricht von bis zu 50 Prozent weniger Verbrauch. Das klingt enorm. Wie funktioniert das technisch?
Armando Orellana Galán: Die klassische Leimradtechnik arbeitet mechanisch, sie ist robust, aber nicht sonderlich präzise und erzeugt immer einen durchgängigen Auftrag auf der ganzen Klebelasche.
Side Seam Gluing Solution arbeitet kontaktlos mit Hochleistungsventilen. Diese können millimetergenau steuern, wo und wie viel Klebstoff aufgetragen wird – ob durchgehend, in Segmenten oder als Punkte. Dadurch lässt sich der Auftrag exakt anpassen. Das Ergebnis: Bis zu 50 Prozent weniger Klebstoff bei gleicher oder sogar höherer Stabilität der Verklebung.
Wenn Sie sich vor Augen führen, dass Klebstoff nicht nur eingekauft, sondern auch transportiert und gelagert werden muss, wird klar, welche ökologischen und ökonomischen Effekte das hat. Weniger Transport, weniger Energieverbrauch in der Produktion und weniger Kosten für den Hersteller.

Florian Lemke: Welche Erfahrungen haben Ihre Kunden bereits mit Side Seam Gluing Solution gemacht?
Armando Orellana Galán: Gut, dass Sie es ansprechen. Mugler Masterpack ist hier ein hervorragendes Beispiel. Sie haben im Herbst 2023 eine ihrer Faltschachtel-Klebemaschinen, auf Side Seam Gluing Solution umgerüstet. Der Hintergrund war eigentlich ein ganz pragmatischer: Das alte Leimwerk war defekt und musste ersetzt werden.
Die Umrüstung war unkompliziert: altes System raus, unser System an der gleichen Stelle rein, kurze Einweisung – und die Produktion lief sofort. Seither arbeitet die Maschine im Drei-Schicht-Betrieb störungsfrei.
Die Ergebnisse dort sind beeindruckend: bis zu 50 % weniger Klebstoffverbrauch, mehrere hundert Stunden zusätzliche Produktionszeit im Jahr, deutlich vereinfachte Bedienung und fehlerfreie Verklebungen. Ulli Mugler, der Geschäftsführer, hat es treffend formuliert: „Wir haben den Ferrari unter den Leimwerken gekauft.“ Das sagt eigentlich alles. Inzwischen plant Mugler Masterpack alle Produktionslinien mit Side Seam Gluing Solution auszurüsten.
Florian Lemke: Das klingt nach einer Erfolgsgeschichte.
Armando Orellana Galán: Und das ist bei weitem kein Einzelfall. Die Ergebnisse sind übertragbar. Natürlich variieren die Einsparungen je nach Schachteltyp, Produktionsgeschwindigkeit und Schichtmodell. Aber die Prinzipien – weniger Klebstoff, keine Reinigungsstillstände, weniger Ausschuss durch verbesserte Auftragsqualität – gelten für jeden Faltschachtelhersteller.
Florian Lemke: Ein weiteres großes Thema in der Verpackungsindustrie ist der zunehmende Fachkräftemangel. Inwiefern kann Side Seam Gluing Solution hier weiterhelfen?
Armando Orellana Galán: Indem sie die Bedienung erheblich vereinfacht. Bei klassischen Systemen mussten die Bediener viel Erfahrung mitbringen, um Innenverklebungen aufgrund fehlerhafter Einstellungen zu vermeiden.
Heute richtet sich das System im Automatikmodus selbständig ein.Das spart Zeit und reduziert den Schulungsaufwand.
Gerade in Zeiten, in denen qualifizierte Fachkräfte rar sind, ist das ein entscheidender Faktor. Automatisierung ersetzt hier nicht den Menschen, sondern unterstützt ihn.
Florian Lemke: Viele Unternehmen fragen am Ende: Rechnet sich das? Können Sie Zahlen nennen, wie schnell sich die Investition amortisiert?
Armando Orellana Galán: Das hängt stark von den Produktionsbedingungen ab, aber wir reden in der Regel von einer sehr kurzen Amortisationszeit. Wenn Sie 200 Stunden zusätzliche Produktionszeit im Jahr gewinnen, können Sie bis zu 20 Millionen zusätzliche Schachteln produzieren – ohne zusätzliche Maschinen, ohne mehr Personal.
Rechnen Sie dann noch die Klebstoffeinsparungen und den Wegfall der Wasser- und Abwasserkosten hinzu, amortisiert sich die Investition in der Regel innerhalb eines Jahres. Das ist ein starkes Argument – so wird Ökologie ökonomisch sinnvoll.
Florian Lemke: Wo sehen Sie Side Seam Gluing Solution in fünf bis zehn Jahren? Wird sie die Scheibenleimwerke vollständig ablösen?
Armando Orellana Galán: Ich glaube, dass wir in fünf bis zehn Jahren kaum noch klassische Scheibenleimwerke sehen werden – zumindest nicht in Betrieben, die wettbewerbsfähig bleiben wollen. Die Einsparpotenziale sind einfach zu groß.
Unsere Kunden bestätigen: Die Side Seam Gluing Solution ist nicht nur ein Ersatz für alte Technik, sondern ein Schritt in eine neue Generation der Faltschachtelproduktion.
Florian Lemke: Herr Orellana Galán, wenn Sie in einem Satz zusammenfassen müssten, was die Side Seam Gluing Solution für die Branche bedeutet – wie würde der lauten?
Armando Orellana Galán: Sie zeigt, dass Ökologie und Ökonomie keine Gegensätze sind, sondern sich gegenseitig verstärken können – und dass Nachhaltigkeit in der Produktion vor allem eines bedeutet: mehr Effizienz.
Florian Lemke: Wenn ich Sie richtig verstanden habe, geht es in der Branche längst nicht mehr nur darum, Klebstoff zuverlässig aufzutragen, sondern Lösungen zu finden, die gleichzeitig ökologische und ökonomische Vorteile bieten. Ist das der Kern dessen, was Baumer hhs mit Side Seam Gluing Solution und seinen anderen Lösungen verfolgt?
Armando Orellana Galán: Ganz genau. Wir sehen uns als Partner unserer Kunden, der technologische Antworten auf die großen Fragen der Branche gibt: Wie lassen sich Ressourcen schonen, Kosten senken und Prozesse vereinfachen – und das alles ohne Abstriche bei Qualität oder Produktivität? Mit Side Seam Gluing Solution haben wir eine Technologie entwickelt, die genau das ermöglicht und damit den Weg für eine neue Ära in der Faltschachtelproduktion ebnet.
Florian Lemke: Herr Orellana Galán ich danke Ihnen für das aufschlussreiche Gespräch.
Armando Orellana Galán: Sehr gerne.